Internet-Provider warten, Musikindustrie drängt
Das Gesetz zur Vorratsdatenspeicherung gilt seit 1. Januar. Danach müssen Telefon- und Internetfirmen Verbindungsdaten sechs Monate speichern. Wie dies funktionieren soll, ist aber noch immer unklar. Die Musikbranche macht hingegen Druck. Sie hat Interesse an den Daten, die eigentlich nur im Kampf gegen den Terror genutzt werden sollten.
Bei der Telekom herrscht noch Ungewissheit, wie die Vorratsdatenspeicherung konkret umgesetzt werden soll. Vollkommen unklar sei noch, wie die riesigen Datenmengen überhaupt sinnvoll verwaltet werden könnten, sagte ein Sprecher gegenüber tagesschau.de. Dazu würden zurzeit Arbeitsgruppen gebildet. Im Mobilfunkbereich müsse T-Mobile jetzt zusätzlich zu den Verbindungsdaten den Standort der Kunden speichern, auch hierfür gebe es noch keine praktische Umsetzung. Die Kosten für die Vorratsdatenspeicherung belaufen sich für die Telekom den Angaben zufolge allein in diesem Jahr auf zwölf Millionen Euro. Dazu kommen nach bisherigen Schätzungen jährliche Kosten in Höhe von etwa zwei Millionen Euro.
Auch beim Telekom-Konkurrenten 1&1 wird die Umsetzung der gesetzlichen Vorgaben noch dauern: Ein Firmensprecher sagte auf Anfrage, man werde die eingeräumte Übergangsfrist bis Ende 2008 nutzen. "Da ungeachtet der anhängigen Verfassungsbeschwerde noch keinerlei Rahmenbedingungen - beispielsweise eine technische Richtlinie - feststehen, speichern wir aktuell die Daten unserer Kunden weiterhin ausschließlich zu Zwecken der Rechnungsstellung", so der Sprecher. Auch bei 1&1 geht man von Kosten in Millionenhöhe aus. Der Sprecher kritisierte, bei dem Gesetz sei die Umsetzung nicht ausreichend berücksichtigt worden. Für die Verwaltung dieser Datenmengen müssten die Unternehmen vollkommen neue Suchsysteme entwickeln. Eine Kooperation zwischen mehreren Konzernen scheidet in diesem sensiblen Bereich aus. Auch der Telekom-Sprecher unterstrich: "Unsere Kundendaten sind uns heilig."
Finanzielle Entschädigung reicht nicht
Auch das Telekommunikationsunternehmen Hansenet gab gegenüber tagesschau.de an, das neue Gesetz erst Mitte bis Ende des Jahres umzusetzen. Es gebe noch überhaupt keine Vorschriften, wie die Daten künftig an die Ermittler übermittelt werden sollten, sagte ein Sprecher. Unklar sei auch, wie hoch die Entschädigung für die Auskünfte genau sein werden. Bislang sei "wenig geregelt", hieß es, das Unternehmen fühle sich "recht allein gelassen".
Auch die Telekom rechnet damit, die Kosten für die Vorratsdatenspeicherung fast komplett selbst übernehmen zu müssen. Zwar gebe es eine geringe Entschädigung, wenn staatliche Stellen Daten über Kunden abfragten. Doch diese reichten bei weitem nicht aus, um die Kosten zu decken, so der Sprecher.
Musikindustrie macht Druck
Während die Vorgaben der Vorratsdatenspeicherung zur Terrorbekämpfung technisch also noch längst nicht umgesetzt werden können, wollen Anwälte der Musikindustrie die Daten möglichst bald für zivilrechtliche Zwecke nutzen. Unterstützung erhielt die Branche bislang von einzelnen unionsregierten Bundesländern. Sie forderten, dass Privatunternehmen bei Internet-Providern erfragen dürften, wer sich hinter einer bestimmten IP-Adresse verberge. Musikverlage und Filmkonzerne sollten damit die Möglichkeit bekommen, gezielt gegen Verletzungen ihres Urheberrechts vorzugehen. Laut Bundesjustizministerin Brigitte Zypries ist dies aber nicht vorgesehen.
Damit wollen sich einige Anwälte, die Musikkonzerne vertreten, allerdings nicht abfinden. So hat sich eine bekannte Anwaltskanzlei aus Süddeutschland an mindestens eine große Telekommunikationsfirma gewandt, um eine Kooperation in Sachen Vorratsdatenspeicherung auf den Weg zu bringen. In dem Brief, der tagesschau.de vorliegt, schreiben die Anwälte, "selbstverständlich" sei man "an einer möglichst baldigen Umsetzung der Gesetzesänderungen interessiert".
Anwälte wollen direkten Zugriff
Die Juristen beklagen, dass bislang kein direkter Zugriff auf die Daten für zivilrechtliche Zwecke vorgesehen ist: "Leider wird zur Abfrage der Adressen der jeweiligen Rechteverletzer nach wie vor ein Umweg über die Strafverfolgungsbehörden erforderlich sein." Schon jetzt verschaffen sich Anwälte also durch Strafanzeigen Einsicht auf Verbindungsdaten. Künftig könnten die Informationen aus der Vorratsdatenspeicherung, ursprünglich zur Terrorbekämpfung gespeichert, auf diesen Weg ebenfalls zur Musikindustrie wandern.
Die Anwälte verweisen auf das geplante Gesetz zur "Verbesserung der Durchsetzung von Rechten des geistiges Eigentums", welches noch 2008 kommen könnte. Mit diesem würde "eine Zwischenschaltung der Staatsanwaltschaften zur Abfrage von Nutzeradressen entbehrlich" werden, schreiben die Juristen. Mit dem Gesetzesentwurf der Bundesregierung soll unter anderem die Position der Urheber gestärkt werden. Das betrifft auch die Auskunftspflicht bei Verletzung des Urheberrechts - etwa in Musiktauschbörsen.
Keine Entscheidung über Eilantrag
Unterdessen verschob das Bundesverfassungsgericht erneut seine Entscheidung über einen Eilantrag gegen die Vorratsdatenspeicherung. Wie eine Sprecherin des Gerichts mitteilte, sei gerichtsintern noch nicht entschieden, welcher der beiden Senate über den Eilantrag entscheidet. Erster und Zweiter Senat sind offenbar beide der Ansicht, dass sie für die Bearbeitung des Eilantrags zuständig sind. Dutzende Gegner der umstrittenen Regelung hatten zu Silvester den Eilantrag in Karlsruhe eingereicht, um das Gesetz vorläufig zu stoppen. Auch mehrere Bundestagsabgeordnete hatten sich der Klage angeschlossen.
Quelle: tagesschau.de