1000 Meter Luftlinie legte SPIEGEL-ONLINE-Autor Reinhard Mohr bei seinem Umzug von Berlin Mitte nach Prenzlauer Berg zurück. Seinen Telekom-Anschluss samt DSL-Flatrate wollte er gerne mitnehmen. Kein Problem ... oder? Protokoll einer Verzweiflung.
Der Mensch ist ein einsames und geplagtes Wesen. Schon bei der Geburt wird er durch einen engen dunklen Kanal ins Leben geworfen, blutend, schreiend und hilflos. Wenn es ans Sterben geht, verliert sich das Wimmern des verglimmenden Daseins irgendwann im dunklen Nichts des Todes, den nur Spötter und sehr religiöse Menschen als das "ewige Leben" bezeichnen. Dazwischen drohen Pubertät, Arbeitslosigkeit, Liebeskummer, Krankheit und Hartz IV.
Doch eine Herausforderung des unerbittlich ins irdische Jammertal geschleuderten Homo sapiens hat nicht einmal der liebe Gott vorausgesehen: Den möglichst übergangslosen Weiterbetrieb der gewohnten DSL-, Telefon- und Internetverbindung nach einem Umzug von A nach B.
Ob in diesem Fall der Teufel seine Hand im Spiel hat, der mit uns Nachkommen des Goetheschen Faust noch eine Rechnung offen zu haben glaubt, ob George W. Bush schuld ist oder die Tatsache, dass es keinen Postminister mehr gibt, der alles regelt: Einen schlimmeren Fluch, als von Berlin-Mitte nach Berlin Prenzlauer Berg zu ziehen, scheint es in dieser Welt kaum zu geben, jedenfalls dann nicht, wenn man auf das Internet tagtäglich dringend angewiesen ist. Und auf die Telekom.
Noch schlimmer: Auf einen jener vielen Privatanbieter von DSL- und Telefonverbindungen zum Supermega-Flatratepreis, heißen sie nun Freenet, Arcor, 1&1 oder O2. "O2 can do!" lautet eine jener schönen Werbefloskeln, aber längst wissen abertausende Kunden landauf landab: O2 can gar nix do! Freenet & Co. inklusive.
Kein Tarifwechsel, kein Auslandseinsatz, keine Sonderwünsche
Dabei fing alles so schön an. Mehrere Wochen vor meinem Umzug 1000 Meter Luftlinie weiter nördlich meldete ich mich schriftlich und telefonisch bei meinem Provider Freenet, um den bevorstehenden Wohnungswechsel anzuzeigen. Da ich meine Telefonnummer bei der Telekom mitnehmen würde, war meine Bitte ganz einfach: den bestehenden DSL-Anschluss ebenfalls mitzunehmen. Nicht mehr und nicht weniger. Kein Tarifwechsel, kein Auslandseinsatz, keine Sonderwünsche.
Doch ich hatte die Rechnung ohne das Kleingedruckte der supermodernen, hochflexiblen, multinationalen, global agierenden kapitalistischen Kommunikationskonzerne gemacht. Die Antwort klang jedenfalls wie aus jenen finsteren Zeiten, als hinter jedem Postschalter noch ein verhinderter Feldwebel saß: So ginge das ja nun nicht! Erstens dauere das einige Wochen, zweitens müsse man auf die Telekom warten, und drittens müsse erstmal eine Ummeldebestätigung des Bezirksamts Mitte her.
An diesem Punkt waren schon mehrere Minuten zum Spezialtarif vergangen und einige Euro durch den Äther gerauscht. In der Not entschloss ich mich beherzt, ein berufliches Privileg auszuspielen und sagte wahrheitsgemäß, dass ich als Mitarbeiter eines stundenaktuellen Mediums wie SPIEGEL ONLINE dringend auf eine möglichst rasche DSL-Verbindung in der neuen Wohnung angewiesen sei. Eigentlich macht man so etwas ja nicht. Aber der Zweck... Nun ja, Sie wissen schon. Nach einer kurzen Schrecksekunde fiel der Mitarbeiterin am anderen Ende plötzlich doch eine Möglichkeit ein. Aber sie müsse erstmal einen Techniker fragen. Nach weiteren Minuten des Wartens kam die erlösende Antwort: Ja, da ginge was. Ich solle einfach ein Fax mit dem Hinweis auf die außerordentliche Dringlichkeit schicken, und dann würde wenige Tage nach meinem Umzug, das Freischalten der Nummer durch die Telekom vorausgesetzt, alles seinen Weg nehmen.
Dieser Weg ... sollte kein leichter werden
Ich war dankbar und erleichtert und ahnte nicht, dass dieser Weg nicht nur ein "kein leichter" (Xavier Naidoo) werden, sondern auch eher dem guten alten "sozialistischen Gang" (Wolf Biermann) ähneln würde als dem turbokapitalistischen Sprint, den die schrillen Werbekampagnen annoncieren. Zunächst versprach auch die Telekom, brav mitzuziehen, und so konnte ich Ende Februar frohgemut ein paar Tage in Skiurlaub fahren.
Doch die Schicksalsgöttinnen meinten es nicht gut mit mir. Der Umzug klappte perfekt, doch das Kommunikationsdesaster nahm seinen Lauf wie die Zerstörung von Troja durch Agamemnons Griechen nach Odysseus' Pferdelist. Weder Internet noch Telefon funktionierten, und ich fühlte mich ganz allein zu Haus.
Nun begann ein titanischer Kampf an allen Fronten. Schnell stellte sich heraus: Die freundlichen Servicekräfte hatten mich teils falsch oder unvollständig informiert, teils einfach gar nichts unternommen. Zeitgleich streikten in Berlin Frank Bsirskes kampfbereite ver.di-Kolonnen auch in den Ordnungs- und Bürgerämtern, so dass selbst bei gutem Willen an keine Ummeldebestätigung heranzukommen war.
Immer wieder versank ich in den Warteschleifen der Servicenummern mit ihren 1000 Wahlmöglichkeiten, bis irgendwann eine Freenet-Mitarbeiterin mich abermals darüber belehrte, dass es so ja nun nicht ginge. Erst müsse der Vertrag mit vorliegender Ummeldebestätigung "außerordentlich gekündigt" werden, bevor man einen neuen abschließen könne – nach ein paar Wochen natürlich.
Da war kein Durchkommen, und der Hinweis, dass man so keine Kunden behandelt, verpuffte in den Tiefen des kafkaesk undurchdringlichen, anonymen Kommunikationssystems. Ich fühlte mich schon wie eine Mischung aus Hauptmann von Köpenick und "Buchbinder Wanninger" alias Karl Valentin. Von Ferne grüßte Loriot als Dr. Klöbner aus der Badewanne.
Wie vor 30 Jahren
Doch Aufgeben kam nicht in Frage, sagte ich mir immer wieder und dachte an Barack Obama und Oliver Kahn. Da musst du jetzt durch. Yes, we can! Zwei Tage später rief dann schließlich eine weitere Freenet-Mitarbeiterin an: Nun würde auf kurzem Dienstweg mein Vertrag gekündigt und ein mysteriöser "Port" abgeschaltet. Geschafft. Endlich eine Plage weniger.
Doch die nächste wartete schon. Immer noch ging das Telefon nicht, die Handyrechnung stieg und stieg. Nach ein paar Tagen immerhin kämpfte sich ein tapferer Telekom-Mitarbeiter bis zum Kollwitzplatz durch, und bald darauf konnte ich wieder übers Festnetz telefonieren. So wie früher, vor 30 Jahren. Damals machte Klementine noch Werbung für "Ariel". Tolle Sache.
Mit neuer Kraft widmete ich mich der nächsten Herausforderung, dem DSL-Anschluss. Todesmutig warf ich mich in die T-Com-Service-Warteschleife, und tatsächlich fand ich eine Mitarbeiterin, die mit mir am Telefon einen neuen Vertrag namens "T-Home Call & Surf Comfort" abschloss, Flatrate inklusive. Geburtsdatum, Bankverbindung – alle Daten gab sie fein säuberlich ein und ließ am Schluss mit weicher Stimme wissen: In spätestens acht Tagen ist alles klar. Dann sind Sie wieder online, so wie früher.
Als nach zehn Tagen immer noch nichts passiert war, warf ich mich noch einmal ins T-Com-Service-Getümmel und erfuhr nach einem weiteren halben Tag Recherche, dass nirgendwo in der großen schönen Telekomwelt auch nur eine Spur meines Auftrags zu finden war. Nada, niente. Tausendmal telefoniert, und dann hat es nicht mal piep gemacht.
Unterdessen hatte sich meine Stimmung derart verfinstert, dass ich schon mit einem kleinen Amoklauf liebäugelte. Der wäre ausnahmsweise durchaus im Sinne der Volksmassen, denn nahezu jeder Mensch, dem ich von meinem schweren Schicksal berichtete, hatte eigene Erzählungen über ganz ähnliche Erfahrungen parat. Einige Freunde rieten schon zu Beruhigungspillen und Yoga-Übungen. Einer sagte: "Geh doch mal wieder ins Kino, das lenkt dich ab."
Kommen wir zum Schluss: Kurz vor Ostern gelang es mit vereinten Kräften, die Sache – hoffentlich – endgültig zu regeln. Ein stellvertretender "Teamchef" der Telekom hat sich sogar bei mir entschuldigt. Und am Dienstag kommt ein Monteur der Telekom, bringt alles mit und schließt alles an. Ich werde ihm einen schönen Kaffee anbieten.
Quelle: Spiegel
..super beschrieben, wenn auch traurig aber wahr!
habe selbst die erfahrung gemacht, dass fast alle anbieter mit solchen serviceunzulänglichkeiten aufwarten können. beruflich hatte ich da schon mit arcor diverse auseinandersetzungen bis zur eskalation auf managementebene...:D
privat hatte ich bislang mit alice nie probleme, aber man soll bekanntlich den tag nicht vor dem abend loben...;)