Gut (für mich und für euch), dass das Thema sie wie ihr es behandelt nicht im Politikforum ist
Ich kann RamsesV das Thema nicht ersparen, dafür ist es mir zu wichtig. Ein ostdeutscher Arbeitgeber beklagt sich hier, dass er Arbeit in einem Callcenter zu bieten hat, aber sich trotz hoher Arbeitslosigkeit keine Interessenten finden. Da die Disskussion im OT recht einseitig geführt wurde, möchte ich sie hier gern auf eine breitere Basis stellen. Ist es tatsächlich so, dass Hartz-IV-Empfänger zu anspruchsvoll bei der Aufnahme von Arbeit sind, oder ist vielleicht die angebotene Arbeit einfach zu mies. Wie denkt Ihr darüber, muß ein Hilfebedürftiger tatsächlich alles nehmen, zu allen Bedingungen?
Als Ostdeutscher möchte ich euch gern meine Erfahrungen berichten, wie es hier im Niedriglohnsektor zugeht. Im allgemeinen trifft man hier auf folgende Varianten, wie man als Arbeitsloser vergackeiert wird.
Variante 1: Du kriegst einen Vermittlungsvorschlag vom Arbeitsamt für einen privaten Arbeitsvermittler. Der ist total nett und verspricht dir das Paradies auf Erden, wenn du ihm nur den Vermittlungsgutschein gibst. Ohne den läuft gar nichts. Die Kohle für die Vermittlung teilen sich nämlich der "Arbeitgeber" und der von ihm bestellte Vasall schön auf. Ob auch der Vermittler vom Arbeitsamt was abbekommt, kann man nur vermuten. Danach kannst du ein halbes Jahr lang für vier oder fünf Euro pro Stunde rackern, dann ist wieder Sense, und der Nächste mit Vermittlungsgutschein kommt auf deinen Platz.
Variante 2, die Dauertrainingsmaßnahme:
Hier erklärt dir der Onkel vom Arbeitsamt, dass es mal wieder Zeit wäre, etwas zu lernen. Bei einem potentiellen Arbeitgeber sollst du eine Trainingsmaßnahme machen, damit er dich danach einstellt. Dabei dürfen, so in Leipzig geschehen, arbeitslose Baufachleute in Eigenverantwortung ganze Häuser bauen, und das kostet den Arbeitgeber keinen Cent, aber du kriegst nur Hartz IV. Nach einem halben Jahr bist du dann weitergebildet genug, daß die nächsten ran dürfen.
Variante 3; Probearbeiten: Du stellst dich irgendwo vor, und erfährst erstmal nicht, was du auf der Stelle verdienst und ob du überhaupt Chancen hast, aber du kannst gern kostenlos probearbeiten. Am liebsten wäre dem Arbeitgeber dabei ein Zeitraum zwischen 15 Jahren und ewig, meist sind es aber drei Tage bis zwei Wochen. Genommen wirst du natürlch nicht. Es wollen ja auch noch andere probearbeiten, und vielleicht ist bis dahin die Inventur oder Lagerräumung auch schon geschafft, und die brauchen gar keinen mehr.
Solltest du es wirklich, tatsächlich, einmal bis zu einem regulären Arbeitsvertrag schaffen, winken dir zwischen drei und sechs Euro brutto, unbezahlte Überstunden, und, was Callcenter betrifft, ein halbkriminelles Arbeitsumfeld.
Seit es Internet gibt, äußern sich Legastheniker besonders gern schriftlich.