Das Ende der parlamentarischen Demokratie?

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  • Konradin
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  • Das Ende der parlamentarischen Demokratie?

    Streit um "Maulkorb"

    Rederecht im Bundestag soll eingeschränkt werden


    BERLIN. Abgeordnete sollen im Bundestag künftig nur noch ans Rednerpult treten dürfen, wenn es den Fraktionen passt. Das sieht ein Entwurf von Union, SPD und FDP vor, der im Parlamert für helle Aufregung sorgt. Nach einem Entwurf des Geschäftsordnungsausschusses des Bundestages sollen künftig nur diejenigen Parlamentarier das Wort erhalten, die von den Fraktionen vorher dazu bestimmt wurden. Andere Abgeordnete dürfte der Parlamentspräsident dann nur noch ausnahmsweise und maximal drei Minuten lang reden lassen - und auch dies nur nach Rücksprache mit den Fraktionen. (dpa)

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    Es geht also darum, Andersdenkenden grundsätzlich besser das Maul stopfen zu können und den Pluralismus somit abzuschaffen. Aber lebt unsere Demokratie nicht eigentlich vom Pluralismus?

    Weit gefehlt, denn ein Fraktionszwang scheint wichtiger als die innere Überzeugung, ein persönliches Gewissen oder gar das Gefühl des Verpflichtetseins gegenüber den Wählern seines Wahlkreises.

    Nicht, daß die drei grossen Blöcke (Union, SPD und FDP) ihr zutiefst undemokratisches Ansinnen nur innerhalb ihrer eigenen Fraktionen praktizieren wollen, nein, jetzt soll auch noch der Bundestag als demokratische Einrichtung nach ihrer Pfeife zur Musik der Parteiendiktaturen tanzen.

    Es ist unerwünscht, wenn andere als festgelegte Meinungen im Bundestag zur Sprache kommen und der Bundestag als Ort der Meinungsbildung wird einfach abgeschafft. Es finden nur noch Mehrheits-(Propaganda-)Reden statt, um Zuhörern eine Meinungsbildung vorzugau(c)keln, die letztenlich nicht mehr stattfinden wird.

    Konsequent weiterentwickelt müssten im nächsten Schritt auch Reden von Nicht-Mehrheitsparteien unter den Tisch gekehrt werden und die Parlamentarier werden durch reine Claquere ersetzt, die nur noch für den Applaus zuständig sind.

    Der Wähler wählt also keine Parlamentarier mehr, sondern gibt der Partei seiner Wahl lediglich einen Freibrief, auf dem Weg zur vollständigen Parteiendikatur den Parlamentarismus Stück für Stück weiter abzuschaffen.

    Dies ist ganz sicher nicht das Ende der parlamentarischen Demokratie, aber ganz sicher der Anfang von dessen Ende.

    Gruss Konradin
    Aktuell zum 70. Jahrestag:
    Auschwitz war sicher nur die Folge berechtigter Ängste gegen die Juden.
    Damals war es die Verjudung, heute ist es die Islamisierung, welche uns Angst macht.
    Eigentlich müssten sich diese Leute bei uns dafür entschuldigen.
  • ...ist es nicht seit längerem so, dass fraktionsgeschäftsführer festlegen, wer wann reden darf?
    wird also - unabhängig davon ob es gut oder schlecht ist - nicht nunmehr versucht, etwas zu zementieren, was ohnehin schon praxis ist, aber eben noch nicht offiziell?

    wobei sich dann schon eine frage der glaubwürdigkeit aufdrängt, in der entwicklung....
    Ich bin zwar anderer Meinung als Sie, aber ich würde mein Leben dafür geben, daß Sie Ihre Meinung frei aussprechen dürfen.(E.B. Hall) # Ever tried, ever failed, no matter. Try again, fail again, fail better. (Beckett) # You are only given one little spark of madness. You mustn't lose it. (R.Williams) # Any sufficiently advanced technology is indistinguishable from magic.(Clarke)
  • Es ist aber schon ein deutlicher Unterschied, ob Parteien einzeln für sich undemokratische Verhaltensweisen zeigen oder ob sie per Gesetz das Parlament dazu bringen wollen, Handlanger undemokratischer Strukturen zu werden und diesen Fraktionszwang auch allen anderen Parteien aufzuzwingen.

    Wenn einzelne Fraktionen dem Fraktionszwang frönen, dann verstossen sie ganz offen gegen das Grundgesetz:

    GG Artikel 38(1): Die Abgeordneten des Deutschen Bundestages werden in allgemeiner, unmittelbarer, freier, gleicher und geheimer Wahl gewählt. Sie sind Vertreter des ganzen Volkes, an Aufträge und Weisungen nicht gebunden und nur ihrem Gewissen unterworfen.

    Es ist schon schlimm genug, wenn Franktionen offenbar nach eigenem Gosto Rechtsbrüche begehen können, wie es ihnen gerade beliebt, aber der Versuch, einen offenen Bruch des Grundgesetzes als Gesetz durchwinken zu wollen ist an Dreistigkeit kaum zu übertreffen.

    Wenn sie damit durchkommen, dann heisst dies doch, daß jedes kleine Popel-Gesetz das Grundgesetz ausser Kraft setzen kann und daß es in Zukunft möglich ist, anderen grundgesetzwidriges Verhalten vorschreiben zu können.

    So etwas nenne ich nicht mehr Demokratie.
    Aktuell zum 70. Jahrestag:
    Auschwitz war sicher nur die Folge berechtigter Ängste gegen die Juden.
    Damals war es die Verjudung, heute ist es die Islamisierung, welche uns Angst macht.
    Eigentlich müssten sich diese Leute bei uns dafür entschuldigen.
  • ja, das kann ich nachvollziehen. :)

    Und Kauders Argument, dadurch Vorgänge zeitlich überschaubarer machen zu wollen, ist ohnehin gefährlich.

    Ich mag diesen Begriff "Abweichler" schon nicht.
    Das, was er beschreibt, finde ich überlebenswichtig für die Politik: Vielfalt.
    Der Begriff jedoch, so wie er genutzt wird ind em Zusammenhang, hat eine - wie ich finde - negative Färbung, die dort nicht hingehört.

    bleibt also wohl der 26. April abzuwarten.
    Ich bin zwar anderer Meinung als Sie, aber ich würde mein Leben dafür geben, daß Sie Ihre Meinung frei aussprechen dürfen.(E.B. Hall) # Ever tried, ever failed, no matter. Try again, fail again, fail better. (Beckett) # You are only given one little spark of madness. You mustn't lose it. (R.Williams) # Any sufficiently advanced technology is indistinguishable from magic.(Clarke)
  • Konradin schrieb:

    GG Artikel 38(1): Die Abgeordneten des Deutschen Bundestages werden in allgemeiner, unmittelbarer, freier, gleicher und geheimer Wahl gewählt. Sie sind Vertreter des ganzen Volkes, an Aufträge und Weisungen nicht gebunden und nur ihrem Gewissen unterworfen.


    und genau deswegen wird das nicht kommen.

    ist die wirklich uralte diskussion, ob es nun einen fraktionszwang oder nur bei der fraktionsdisziplin bleibt. mit hinweis auf den zitierten § wurde immer von letzterem gesprochen.

    im übrigen ist das eh eine schnapsidee: man kann auch im bundestag sitzen ohne einer fraktion anzugehören. damit sind für den abgeordneten immer einschränkungen einher, aber sein rederecht kann man ihm nicht nehmen.

    wenn die das wirklich machen sollten, bspw. durch änderung der GOBt, wird das ding innerhalb kürzester zeit vom BVerfG kassiert. stichwort hier: organstreitverfahren.

    zusammnfassend: keine ahnung, wer sich den quatsch ausgedacht hat, aber logisch zu ende gedacht, hat er es nicht.
  • Ich denke auch, daß es höchste Zeit ist, diesen Burschen das Handwerk zu legen. Da schimpft man einerseits über das undemokratische Verhalten der NPD, die Splitter im eigenen Auge aber sieht man nicht. Sorry, aber eine Partei, die mehrheitlich dafür ist, die (grundgesetzlich verbürgte) Gewissensentscheidung einem Fraktionszwang zu opfern und dies nicht nur für sich einfach zu machen, sondern auch anderen aufzuzwingen, es also als (pseudo)demokratische Spielregel gesetzlich festlegen zu wollen, die ist in meinen Augen nicht mehr demokratisch.

    Signifikanter Unterschied zum bisherigen Gebaren ist die Nachweisbarkeit. Ein interner Fraktionszwang lässt sich leich einigermassen verklausulieren und ist im Endeffekt schwer nachweisbar. Ein dementsprechendes Gesetz hingegen offenbart die Absicht schon von vornherein. Ich halte solch ein Gesetz (selbst bei einer Mehrheit) schlicht und einfach für für illegal und somit denke ich auch, daß spätestens das Bundesverfassungsgericht es kippen würde.

    Aber es geht ja nicht nur darum, ob ein solches Gesetz tatsächlich durchkommt und auf Dauer zu geltendem (Un)Recht wird. Es geht auch darum, daß gleichgeschaltete Parteisoldaten auf Anordnung ihrer Bosse umtriebig werden und dies offenbar völlig sanktionslos vonstatten geht. Schlimmstenfalls kommt die Bagage nicht damit durch - ein risikoloses Unterfangen.

    Einerseits wittert man hinter jedem Busch einen Terroristen, der den Koran in der Tasche trägt. Anderseits agieren Spitzenfunktionäre der grossen sich demokratisch nennenden Parteien und deren Handlanger offen gegen das, was unsere Demokratie eigentlich ausmacht - den Pluralismus.

    Da sage noch einer was gegen die DDR.
    Aktuell zum 70. Jahrestag:
    Auschwitz war sicher nur die Folge berechtigter Ängste gegen die Juden.
    Damals war es die Verjudung, heute ist es die Islamisierung, welche uns Angst macht.
    Eigentlich müssten sich diese Leute bei uns dafür entschuldigen.
  • Konradin schrieb:

    spätestens das Bundesverfassungsgericht


    nicht spätestens. das geht in dem fall sehr schnell, denn das BVerfG ist das einzige Gericht, was für dieses thema zuständig wäre.

    in meinem vorrangegangen post, hatte ich das wort schon fallen lassen: organstreitverfahren.

    ein wirklich interessantes thema über welches ganze bücher geschrieben wurden. insofern kratzt der eintrag in wiki nur an der oberfläche, aber man kann schon lesen, worum es ungefähr geht: Organstreit
  • Mit spätestens meine ich nicht, daß ein möglicher Rechtsstreit den Instanzenweg geht, sondern, daß es vorher schon gekippt werden kann.

    Früheste Möglichkeit: die Parteisoldaten kündigen ihre Gefolgschaft, machen da nicht mehr mit und der Antrag wird zurückgezogen.
    Anschluss-Möglichkeit: es findet sich keine Mehrheit für dieses Ansinnen und der Antrag kommt nicht durch.
    Späteste Möglichkeit: das Bundesverfassungsgericht wird aktiv.

    Wie gesagt, der Antrag selbst (und die Gefahr, daß er tatsächlich durchkommt) ist es garnicht einmal, der mir wirklich Sorge macht. Sorgen macht mir, daß eine Bande von gewählten Volksvertretern, für welche Demokratie (ausser zur eigenen Legitimation) offenbar ein Fremdwort ist, ungestraft und offen danach trachten können, demokratische Spielregeln Stück für Stück ausser Kraft zu setzen - und die gleichzeitig scheinheilig der NPD die Verletzung demokratischer Spielregeln vorwerfen. Offenbar ist die eigene Nase zu weit entfernt.

    Gruss Konradin

    P.S. Wenn ich mich zwischen Rechtsstaatlichkeit und Demokratie entscheiden müsste, dann würde ich der Rechtsstaatlichkeit jederzeit den Vorzug geben.

    P.P.S. Ich dachte mir schon, daß das Thema kein Schwein interessiert, deshalb zu. :tata:
    Aktuell zum 70. Jahrestag:
    Auschwitz war sicher nur die Folge berechtigter Ängste gegen die Juden.
    Damals war es die Verjudung, heute ist es die Islamisierung, welche uns Angst macht.
    Eigentlich müssten sich diese Leute bei uns dafür entschuldigen.

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